„Wie ist das eigentlich mit der Fotografie, Liv?“

– diese Frage wurde mir in den letzten Monaten mehrfach gestellt. Nicht nur von Anderen, sondern auch von mir selber.

2009 saß ich stundenlang im Garten meiner Eltern, in einer seltsamhockenden Position, und habe mit meiner kleinen, digitalen Kompaktkamera winzigstkleine Tröpfchen und Käfer fotografiert. Ohne Makroobjektiv wohlbemerkt – dafür aber mit Luft-Anhalten. Ich schleppte meine kleine, kirschrote Kamera überall mit hin und hielt überall Dinge, Momente, Lebewesen fest. Wenn ich mir die Fotos von damals anschaue, die nun schon beim ersten Klick auf das Zoomzeichen meiner Vorschaufunktion verpixeln, dann erinnere ich mich so sehr an das Kribbeln im Bauch, das ich damals hatte, als ich die SD-Karte in meinen Computer schob um zu sehen, ob ich etwas geschaffen hatte.

2009

Pusteblumen, Freunde, der Hund, Gras, Steine – ALLES kam vor meine Linse.

8 Jahre später sitze ich vor meinem Laptop in meiner Studenten-WG. Noch immer kann ich mich für kleine Details begeistern. Aber die Fotografie und ich, wir stecken seit mittlerweile Jahren in einer bösen Beziehungskrise. Erst ging es nach 2009 so gut weiter. Ich begann, mit der kleinen Kamera, meine Schwester zu fotografieren. Zu meinem Realschulabschluss bekam ich dann eine Canon eos 1000d, meine erste RICHTIGE Kamera, wie ich damals sagte. Und die feuerte meine Leidenschaft nochmal so richtig an. Als ich mir im Jahr 2010 dann für mehrere Monate ein Makroobjektiv von meinem Nachbarn lieh, konnte mich gefühlt nichts mehr halten. Pusteblumen, Freunde, der Hund, Gras, Steine – ALLES kam vor meine Linse. Nichts war vor mir sicher. Zeitgleich beschäftigte ich mich auch mit Bildbearbeitung, benutzte erst Picasa, dann Gimp, welches meinen PC alle zwanzig Minuten zum Komplettabsturz brachte – und schliesslich der heilige Gral: Photoshop. Nunja, erstmal Photoshop Elements, quasi Photoshop mit kindergartengerechten Symbolen. Und so zogen die Jahre dahin. Shooting um Shooting, Photoshoptutorial um Photoshoptutorial. 2011 bis 2014 machte ich eine Ausbildung zur Mediengestalterin, in der ich lernte, in der Bildbearbeitung noch produktiver zu arbeiten. Und irgendwo kurz danach ist irgendetwas passiert.

2010

Ich weiss nicht was. Das Kribbeln blieb weg. Ich kann mich nicht erinnern, wann das gewesen ist. Aber ich kann mich erinnern, dass mir auf einmal bewusst wurde, dass es nicht mehr da war. Auf einmal war da nichts mehr. Und die Erkenntnis hat mich hart getroffen. Erst dachte ich, es kommt bestimmt wieder, wenn ich nur mehr fotografiere. Aber nein. Es war weg. Und zurückgelassen hat es nur Leere. Auf einmal hatte ich keinen Spaß mehr am Fotografieren. Das hat mir Angst gemacht. Denn mit dem Kribbeln ging die Motivation überhaupt noch loszuziehen, um Fotos zu machen. Natürlich hab ich trotzdem Kamera und Stativ eingepackt und bin losgegangen um zu fotografieren. Aber das Gefühl, dass es aus war, zwischen mir und meiner Leidenschaft, das war immer dabei. Saß bei Shootings hinter mir und wisperte mir zwischendurch immer ein „Dafür bist du gar nicht geschaffen.“ ins Ohr. So lange bis ich verunsichert und traurig aufgab und zuhause nicht mal mehr die Karte aus der Kamera holte.

„Was ist denn an meinen Fotos noch so besonders, dass ich sie zeigen will?“.

Hinzu kam dann noch die Geschichte mit Social Media. Ich liebe Social Media, bin schon seit 10 Jahren auf Facebook und bin ganz froh da das Leben von Leuten verfolgen zu dürfen, die ich im Ausland kennengelernt habe. Genauso wie alle schönen Sachen hat Facebook jedoch auch ne gehörige Schattenseite. Also neben dem Datenkrakendasein. Man wird überrollt mit Menschen, die das gleiche tun wie man selber. Und von unauthentischen Selbstvermarktern über die ich ja schon in „Nur Fotograf“ gehörigst gemeckert habe. Aber auch das ist nicht mal „das Problem“. Das nämlich, ist viel komplexer und leider nicht so einfach wegzublocken wie die Socialmediatrainerappentwicklerpremiumabo-Fotografen da draussen. Selbst Menschen, die ich kenne und mag und deren Arbeiten ich schätze und liebe, selbst die fingen an, mich unter Druck zu setzen. Selbstverständlich nicht absichtlich. Warum auch. Aber auch in den tfp-Gruppen, in denen ich nun schon so viele, liebe Leute treffen durfte, selbst in den Gruppen komme ich nicht umhin erschlagen zu werden. Die Masse an Fotografien ist gewaltig. Und man trägt selber dazu bei. Und irgendwann fragt man sich, „Was ist denn an meinen Fotos noch so besonders, dass ich sie zeigen will?“. Dieser Gedanke hat sich meiner Meinung nach auch auf meine Leistung niedergeschlagen. Warum sich noch anstrengen, wenn es eh nix Besonderes mehr wird? Ihr seht, ich habe Ansprüche, so wie jeder Fotograf. Aber genau wegen dieser Flut an Bildern, sind mir selbst meine Ansprüche SO wichtig geworden, dass ich sie selber niemals zufrieden stellen kann.

2012

Momentan ist es so: Ich sehe Andere, die mit der Fotografie glücklich sind, und ich bin regelrecht eiffersüchtig. Nicht wie jemand, in dem ein Feuer in der Brust lodert, wenn er seine große Liebe mit jemandem Anderen sieht. Nein, eher wie jemand, der sich eh nicht als gut genug einschätzt und aufgegeben hat. Ich bin traurig und fühl mich verlassen.

Hat hier irgendwer eine Pointe erwartet? Ein kleines, großes „Aber“ am Ende dieser Trauerschrift? Ich muss denjenigen auf jeden Fall enttäuschen. Noch immer habe ich keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Ob ich zurückfinde. Ob es mir irgendwann nix mehr ausmacht, dieses ganze Theater auf Facebook und die Bilderflut der lieben Menschen.

Bald gibt es einen Neuanfang, weil ich wegziehen werde. Vielleicht dann. Vielleicht kommt dann das Kribbeln wieder.